Mittwoch, 14. November 2012

"Die Rattenfänger" von Carla Berling

Ich habe das Buch gelesen und noch mehr Gänsehaut bekommen, als in der Rezension beschrieben.


"Ein junges Paar, frisch verheiratet und hoch verschuldet, träumt von einem besseren Leben. Den Weg dorthin scheint die "Juno-AG", ein Finanzdienstleister mit Strukturvertrieb, zu bieten, wo man für harte Arbeit bald fünfstellig verdienen soll - und nie mehr weniger. Verkauft werden soll dafür eigentlich nur ein einziges Produkt, eine Rentenversicherung mit möglichst hohen monatlichen Raten. Dafür gibt es Schulungen in teuren Hotels, die von den selbstständigen Mitarbeitern selbst zu zahlen sind. Die Machenschaften sind für den Leser so durchschaubar, dass ich mich fragte, warum die, die "drinstecken" nicht merken, wie sie abgezogen werden? So sollen z.B. immer wieder neue Adressen potentieller Kunden oder Mitarbeiter gebracht werden. Diese werden von den übergeordneten "Strukkis" kopiert, warum wohl? Das Denken der Mitarbeiter wird so sehr manipuliert, dass sie ihr privates Umfeld einteilen in (potentielle) "Kunden", "Mitarbeiter" und "Verlierer". Zu letzteren halten sie keinen Kontakt mehr, warum auch, es ist mit ihnen kein Geld zu verdienen.

All diese Mechanismen beschreibt die Autorin sehr glaubwürdig am Beispiel von Mike und Rena. Besonders Renas Gedanken, ihr Wandel, ihre Zweifel, die sie dann doch wieder fortschiebt, sind so dermaßen nachvollziehbar, dass ich manchmal Gänsehaut bekam und das Buch beiseite legen musste. Warum? Weil ich weiß, dass Frau Berling Recht hat, denn ich habe selbst meine Erfahrungen in diesem System aus Lug und Trug machen dürfen.

Interessanterweise spielt die Handlung in den Achtziger Jahren, was wohl mit dem Lebenslauf der Autorin zu tun hat. Das sorgt für durchaus lustige Erinnerungen beim Leser - an Schulterpolster, Leggings und schmale Lederschlipse ;-) Leider ist das Werk auch heute noch hochaktuell, wird von den Schwarzen Schafen der Branche nach dem gleichen Muster gearbeitet.

Jeder, der sich mit dem Gedanken trägt "DA" anzufangen und schnell viel Geld zu verdienen, sollte unbedingt dieses Buch lesen. Jeder, der glaubt, sein Versicherungsvertreter verdiene zuviel, ebenfalls. Abgezockt werden immer die Kleinen - Kunden, aber auch Vertreter, deren Provision von der Stornohaftung aufgefressen wird.

Rena und Mike haben den Absprung geschafft. Wen interessiert, wie es weiterging, dem empfehle ich Carla Berlings Werk "Vom Kämpfen und vom Schreiben", wo u.a. die Schreibmaschine mit dem kaputten "e" wieder auftaucht. Und als Versicherungskunde vertraue ich weiter dem guten alten Vertreter, der schon seit Jahrzehnten seriös dieselbe Firma vertritt."

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